Casper
„Der Druck steigt“ Tour 2011
CASPER ist einzigartig, aber das beschreibt den Ausnahmekünstler nur unzureichend. Rap in Deutschland ist seit vielen Jahren etabliert und weist unverkennbare Verschleißerscheinungen auf. Da taucht auf einmal CASPER auf und macht alles anders und auch besser. Plötzlich spielen Verlust, Teenage Angst, und Selbstreflexion die tragende Rolle. Ohne Pathos, Jammerei und studentische Weltverbesserungs-Attitüde.
Vielleicht braucht es eine gebrochene Biografie, die geistige Enge Bielefelds und ein jahrelang gezüchtetes Lebensideal, um ein so entwaffnend offenes und seelenvolles Album wie „XOXO“ zu machen. Sein Innerstes nach außen zu kehren hat im deutschen Rap keine Tradition. In anderen Genres ist es Existenzbedingung. CASPER benutzt Elemente von Rap, folgt in seiner Haltung jedoch den zornigen jungen Morrissey, Ian Curtis und Jochen Distelmeyer.
Konzerte von CASPER und seiner Band sind keine Shows im Sinne von Entertainment, sondern Massenexorzismen, die bis zur Selbstaufgabe durchgekämpft werden. Dämonen werden ausgetrieben, herausgeschrien. CASPER erledigt das stellvertretend und ist dabei so mitreißend und fordernd, dass die Grenze zwischen Künstler und Publikum verschwimmt, das ist der Geist des ursprünglichen Hardcore. Bei aller Wut, die CASPER rauskotzt, und deren Intensität locker Rage Against The Machine-Level erreicht, ist es aber die fürsorgliche Gang-Mentalität, die den Einzelnen nicht im Regen stehen lässt, sondern mit der tröstlichen Gewissheit nach Hause und ins Leben schickt: Wir sind viele. Wir holen zurück was uns gehört.