Joe Satriani
Tour 2015
Gast: Dan Patlansky
„Wenn man meine eigene Musik hört, könnte man den Eindruck bekommen, ich sei ein freudloser Perfektionist. Das bin ich aber nicht. Ich bin ein absolut verrückter Kerl.“ JOE SATRIANI kann über sich selbst am meisten lachen. Und dazu hat der mittlerweile 58-Jährige auch allen Grund: Er ist der erfolgreichste Instrumental-Rock-Gitarrist aller Zeiten. 15 Grammy-Nominierungen und weltweit über zehn Millionen verkaufte Alben sprechen zwar eine deutliche Sprache, aber hinter dem Genie an der Gitarre steckt viel mehr, denn sein Einfluss auf gleich mehrere Musiker-Generationen ist nicht hoch genug zu bewerten.
Während seiner Solokarriere kann der gebürtige New Yorker bereits auf 14 Studio- und vier Live-Alben zurückblicken. Und so sehr er auch die Arbeit im sterilen Studio mag, die Bühne ist sein eigentlicher Spielplatz. Gerade in Deutschland wurde der Mann mit dem Charakterkopf von Beginn an wie ein Messias verehrt; kein Wunder also, dass JOE SATRIANI im Oktober 2015 erneut über den Großen Teich setzen wird. Mit seiner eingespielten Begleitband Mike Keneally (g, k), Bryan Beller (b) und dem deutschen Schlagzeuger Marco Minnemann wird er den noch unbetitelten Nachfolger des 2013 erschienenen Albums „Unstoppable Momentum“, der am 27. Juli 2015 veröffentlicht werden wird, vorstellen.
Der Sohn italienischer Einwanderer weiß schon im Alter von 14 Jahren, wohin ihn der Weg eines Tages führen wird. Der plötzliche Tod von Jimi Hendrix bringt den Teenager dazu, seinen eigenen Karriereweg einzuschlagen. Angeblich erhält er die Nachricht von Hendrix´ Tod während eines Football-Trainings und beschließt in just diesem Augenblick, das Team zu verlassen und Gitarrist zu werden. Er studiert Musik und wird schon während dieser Zeit zum Lehrer: Steve Vai, seinen Freund aus der High School, unterrichtet er eine Zeit lang. Vai wird später selbst zu einer der einflussreichsten Gitarristen seiner Zunft, spielt auch bei David Lee Roth und Whitesnake. Satriani zieht 1978 von der Ostküste ins gelobte Land Kalifornien, um Profi zu werden. Zuerst aber setzt er seine Laufbahn als Lehrer und Mentor fort: Unter seiner Anleitung lernen u.a. Kirk Hammett (Metallica), David Bryson (Counting Crows), Kevin Cadogan (Third Eye Blind), Larry LaLonde (Primus, Possessed) und Alex Skolnick (Testament). Die Kosten für sein Debüt „Not Of This Earth“ (1986) bezahlt er durch sein Engagement bei der Greg Kihn Band. Zur selben Zeit erlangt Steve Vai an der Seite von Ex-Van Halen-Sänger David Lee Roth Weltruhm, in jedem Interview preist der einstige Satriani-Schüler die Verdienste seines Freundes.
Mit seinem Zweitling stellt dieser 1987 sofort einen Rekord auf: „Surfing With The Alien“ ist das erste Instrumental Rock-Album der Geschichte, das sich in den Top 40 der US-Billboard-Charts platziert (Platz 29). Von da an eilt ihm der Ruf eines genialen, aber bescheidenen Musikers voraus. Nach dem wiederholten Erfolg von „Flying In A Blue Dream“ (1989, Platz 23 in den USA) wird der Glatzkopf mit „The Extremist“ (1992) zum Superstar; nicht zuletzt, weil Sony seine Kampagne für den neuen Discman, einen tragbaren CD-Player, mit Satrianis „Summer Song“ untermalt.
1993 schließlich wird dem Amerikaner eine weitere Ehre zuteil: Deep Purple engagieren ihn als Ersatz für den ausgestiegenen Ritchie Blackmore. Die Japan-Tour mit den Engländern wird ein so großer Erfolg, dass eine Europatour folgt. Aber Satriani lehnt das anschließende Angebot, permanent bei der Rocklegende einzusteigen, ab; er hat andere Pläne. 1996 begründet er mit der G3-Tour eine inzwischen als Institution angesehene Konzertreihe von drei Gitarristen, bei der er im Laufe der Jahre die einzige Konstante ist. Mit ihm zusammen verzückten schon Steve Vai, Eric Johnson, Michael Schenker, Yngwie Malmsteen, Paul Gilbert, Uli Jon Roth, John Petrucci, Steve Morse, Steve Lukather und Kenny Wayne Shepherd die Fans auf der ganzen Welt. Da der Multi-Instrumentalist ständig schreibt, bringt er auch weiterhin regelmäßig Alben auf den Markt, die aber deutliche Entwicklungen zeigen: „Engines Of Creation“ aus dem Jahr 2000 zum Beispiel spielt mit elektronischen Elementen, was seinem Ansehen aber eher nutzt als schadet. So passt es ins Bild, dass er 2006 bei ´Little Kids Rock´ einsteigt, einer Non-Profit-Organisation, die sich um kostenlosen Musikunterricht für mittellose Kinder in den USA einsetzt (mit im Vorstand sitzt übrigens auch Steve Vai).
Und als hätte der Umtriebige noch nicht genügend Projekte, gründet er zusammen mit Sammy Hagar (v, g) und Michael Anthony (b) von Van Halen sowie Drummer Chad Smith (Red Hot Chili Peppers) die Supergroup Chickenfoot; deren Debüt stößt 2009 auf großartige Resonanzen (Platz 4 in den USA, 17 in Deutschland); eine Welttournee und ein zweites Album („Chickenfoot III“, 2011, Platz 9 in den USA, 13 in Deutschland) folgen. Nicht nur im Rockbereich zählt Satriani zu den Renommiertesten: Die HipHop-Ikone und ´American Idol´-Jurorin Nicki Minaj 2010 verwendet ein Sample aus seiner Ballade „Always With Me, Always With You“ als Grundlage für ihre Hitsingle „Right Thru Me“.
Mit seinem letzten Album „Unstoppable Momentum“ (2013) tourt er sogar zweimal durch Deutschland. Und es sieht nicht so aus, als würde ihn das kommende Programm zum nächsten Meisterwerk überfordern, im Gegenteil. „Mir macht Gitarre spielen Spaß und es ist physisch genauso anspruchsvoll wie irgendeine verrückte Sportart. Musik definiert mein komplettes Dasein. Sie ist physisch, sie ist das Herz, das Hirn, die Seele und die Emotionen. Alles explodiert und du bist in diesem einen Moment verloren; du schwitzt, du hyperventilierst; du packst alles, was du hast, hinein und am Ende bist du erschöpft.“
Dass der Magier an den sechs Saiten bei all seinem Können stets bescheiden bleibt, macht ihn noch sympathischer. Seine spartanischen Ansagen während eines Konzertes beschränken sich auf das Nötigste, nur ab und zu heißt es, er sei hier, „um ein bisschen Musik zu machen“. Aber es ist mehr als das: Der Kalifornier scheint nicht nur mit seinem Instrument, sondern auch mit seinem Publikum zu verschmelzen. Selten sieht man auf einem reinen Instrumental-Event so viele Menschen mit geschlossenen Augen den filigranen Soli folgen. Dazu gibt es zu fast jedem Song eine Videoeinspielung. So entsteht auch ohne Gesangsmelodien und Publikums-Interaktion eine sehr sakrale Stimmung. Bei ruhigen Passagen verstummen selbst sonst sehr redefreudigen Thekenbedienungen und staunen darüber, welche Töne man einer Gitarre entlocken kann, wenn man sie so perfekt beherrscht wie JOE SATRIANI. Auf der kommenden Herbst-Tournee jedenfalls werden seine Fans wieder voll auf ihre Kosten kommen.