The Crooked Brothers
Wer hat eigentlich behauptet, man könnte sich seine Familie nicht aussuchen? THE CROOKED BROTHERS belehren uns eines Besseren. Matt Foster, Darwin Baker und Jesse Matas sind zwar nicht blutsverwandt, seelenverwandt sind sie aber allemal. Sie haben sich selbst zu Brüdern gemacht.
Genauso wie sie sich ihre Brüder ausgesucht haben, stutzen sie sich auch ihre Musik zurecht. Wer glaubt, die Crooked Brothers vorschnell in eine Folk-Schublade mit Mumford & Sons und Konsorten stecken zu müssen, wird schon mit dem nächsten Song eines besseren belehrt. Ob Folk, Blues, Bluegrass oder Rock’n‘Roll – sie drehen und wenden, schleifen, maskieren, überdrehen und probieren und experimentieren so lange, bis das Genre ihnen gehört; etwas Eigenes ist, hübsch und düster zugleich.
Ihre Musik ist hausgemacht, authentisch, mit einem interessanten Nachgeschmack, nicht überkandidelt oder exaltiert, aber dennoch mit einer überraschenden, einzigartigen Note. Matts unvergessliche, manchmal Tom-Waits-esque (zur „Swordfishtrombones“-Phase), fast unmenschlich tiefe Stimme,, hat daran genauso viel Anteil wie Darwins Mundharmonikaspiel und Jesses Poesie.
Alle drei schreiben sie Songs, alle drei spielen sie mehrere Instrumente und wechseln sich beim Gesang ab. Bei Konzerten der Crooked Brothers kommen Banjos, Mandolinen, Gitarren, und was die Musiker sonst noch für angebracht halten, nicht nur zum Einsatz, sie werden auch wild untereinander getauscht – von Bruder zu Bruder sozusagen.
Und dann noch diese Texte. Jedes Wort hat Gewicht, nichts ist überflüssig. Sie ziehen einen hinein in einen langen kalten Winter voll Traurigkeit, Sehnsucht und Sterblichkeit – ein Winter, wie man ihn nur in Kanada erleben kann. Aber sie entlassen einen auch wieder. Unvermittelt, schnell und mit ansteckender Freude am Leben. Die Botschaft: Tiefpunkte wollen genauso zelebriert werden, wie Höhenflüge.
Ihr neuestes Album, „Thank You I’m Sorry“ – aufgenommen in einer Lagerhalle und einer handgebauten Holzhütte – fühlt sich größer an, als die beiden Vorgängeralben. Jede Note, jeder Song wie handgeschöpftes Papier, irgendwie rau, nicht an Konventionen der Moderne angepasst - und doch perfekt. Der erste Track „Dear Antonia“ nimmt Anleihen von Johnny Cashs „Hurt“ - in aller seiner Traurigkeit und Reduziertheit – und erzählt doch eine völlig eigene Geschichte. „Pass you by“ ist Rockabilly vom Feinsten, tanzbar und ohrwurmverdächtig. und an „Organs on Demand“ werden Fans des „Down-by-Law“-Soundtracks ihre wahre Freude haben. Diese Diversität zeigt: Die Jungs wissen, was sie tun und sie schrecken vor keinem Vergleich zurück. Neu ist auch, dass die Band nur noch selten als Trio auftritt. Ein Kontrabass und ein Schlagzeuger geben der Musik live ein neues Gesicht. Sollte das wirklich noch Folk sein, dann ist er verdammt oft links abgebogen. Ein düsteres Gedicht, das Hunderte zum Tanzen bringt: THE CROOKED BROTHERS.
Sabrina Kammerer, April 2015